Das Gespräch

„Das Gespräch“ von Etienne, Plastik in Habana Vieja

Kuba und die USA nähern sich an, in Geheimverhandlungen wurden einige interessante Übereinkünfte erzielt. Ich möchte euch heute eine Zusammenfassung der Ereignisse und eine ausführliche Analyse der Ereignisse präsentieren: was genau ist passiert, welches sind die Auswirkungen und was bedeutet das für die zukünftige Entwicklung Kubas.

Was ist passiert?

In 18-monatigen Geheimverhandlungen haben sich die USA und Kuba darauf geeinigt, mehrere Schritte aufeinander zuzugehen und zwar nicht das Embargo aufzugeben – das kann nur der Kongress, nicht der US-Präsident – aber zumindest will man doch so weit zu gehen, wie das eben momentan möglich ist. Für Kuba wichtig: die letzten 3 der Kubanischen Fünf wurden freigelassen, das ist es, was nun auf Kuba überwiegend gefeiert wird.

Im Lichte der Geheimverhandlungen betrachtet ist der Handshake zwischen Obama und Raúl Castro bei der Beerdigung Nelson Mandelas kein großer Zufall mehr, man kannte sich ja schon – auch wenn die beiden erst jetzt, zum Abschluss der Gespräche, das erste Mal persönlich miteinander gesprochen haben.

Was wurde konkret beschlossen?

Man kann die Beschlüsse in drei verschiedene Bereiche trennen: diplomatische Ebene, Handel und Gefangene.

Denkmal für die Cuban Five

Denkmal für die Cuban Five, wie es überall auf Kuba zu finden ist.

Gefangene

  • Freilassung politischer Gefangener in Kuba: Kuba lässt 53 als politische Gefangene eingestufte Gefangene frei. Zwar fordert die Opposition, weitere Gefangene freizulassen, aber ein Anfang ist gemacht.
  • Austausch von Gefangenen: Kuba lässt einen verurteilten US-Spion frei, die USA lassen die restlichen drei der Kubanischen Fünf frei. Wer in letzter Zeit in Kuba war, wird wissen, wie wichtig dieser Schritt für Kuba ist, an allen möglichen und unmöglichen Stellen in Kuba wurde auf die Situation von Los Cincos hingewiesen (interessante Frage: was passiert jetzt mit den Plakaten und Denkmälern?!).
  • Freilassung von Alan Gross: Allan Gross wird, unabhängig vom Gefangenenaustausch, also irgendwie mehr als Good-Will-Handlung aus kubanischer Haft entlassen.

Diplomatische und staatliche Ebene

  • Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen: die USA werden eine Botschaft in Havanna eröffnen, andersherum wird Kuba auch in Washington präsent sein. Damit wird dieser unsägliche Zustand mit der inoffiziell-offiziellen US-Vertretung am Malecon endlich beendet.
  • Reiseerleichterungen: insgesamt wird es Reiseerleichterungen für 12 verschiedene Personengruppen geben, z.B. für Universitätsangehörige, verschiedene Händler oder Journalisten.
  • Grenzgespräche USA, Mexiko, Kuba: da es bisher noch keine einheitliche Regelung über die maritime Grenzziehung gibt, wollen sich die drei Länder nun zusammensetzen und den Sachverhalt klären. Ich vermute mal, dabei geht es auch um Öl…
  • Änderung des Status von Kuba als staatsterroristisches Land: war ja irgendwie schon lange überfällig!

Handel und Kommunikation

  • Handelserleichterungen: Die US-Regierung will Genehmigungen für Exporte aus den USA nach Kuba erleichtert vergeben und somit den wachsenden Handel zwischen den beiden Ländern verstärken. Exporte aus Kuba sollen auch erleichtert werden, gleichzeitig dürfen US-Reisende nun Waren für 400 Dollar mit in die USA bringen.
  • Geld: Der Geldtransfer soll sowohl auf Ebene der Abwicklung von Geschäften als auch für Privatpersonen erleichtert werden. Damit fällt wohl das leidige Problem der Master Card weg, die wird dann auch an Geldautomaten funktionieren.
  • Kommunikation: bisher war es verboten, WLAN-Adapter o.ä. einzuführen – wir hatten da mit unserer Sommerschule regelmäßig Probleme. Nun soll alles, was mit Kommunikation zu tun hat, Hardware und Software, einfacher nach Kuba eingeführt werden dürfen. Auch wird es leichter werden, zwischen der USA und Kuba zu telefonieren, sicherlich interessant für alle Kubaner, deren Familienangehörige in Miami wohnen.

Eine umfangreiche Liste mit den Beschlüssen findet ihr beim Weißen Haus.

Restaurant Dos Hermanos in HavannaWie ist es dazu gekommen?

Es gibt schon seit längerem einzelne Handelserleichterungen und Schritte aufeinander zu: Reiseerleichterungen für Kubaner, die in die USA reisen wollen, Direktflüge, die US-Post liefert wieder Briefe nach Kuba aus etc. Es war also von beiden Seiten klar, dass erstes Grün sprießt. In dieser guten Ausgangslage hat sich nun Papst Franziskus eingeschaltet und die beiden Parteien zu weiteren Verhandlungen an einen Tisch gebracht.

Was sind die Hintergründe

Wirtschaft

Eine gewichtige Rolle spielen sicher die wirtschaftlichen Interessen diverser US-Firmen. Dabei handelt es sich z.B. um die Landwirtschaft: Kuba importiert schon lange Lebensmittel aus den USA und man würde gerne noch mehr importieren, Reis, Hühnchen, sicherlich auch Rindfleisch!
Dann ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis vor Kubas Küsten Öl gefunden wird, die Probebohrungen laufen ja bereits schon. Beteiligt daran sind Chinesen, Spanier, Brasilianer und andere Nationen – aber nicht die USA.
Auch alle Formen von Konsumgütern, Autos, Elektronik etc. würden die USA gerne nach Kuba exportieren. Der Markt ist zwar nicht übermäßig groß, gute 10 Millionen Einwohner sind nicht die Welt, aber es gibt inzwischen genug Kapital und Kaufwillen in Kuba und einen riesigen Nachholbedarf.

Die politische Situation Obamas

Dann, und sicher nicht zu unterschätzen, ist Obamas Situation. Nach den letzten Wahlen ist er endgültig zur lahmen Ende, zur Lame Duck degradiert worden. D.h. er kann nicht mehr wiedergewählt werden, alles, was er tut, dient nicht seiner Wiederwahl. Zusätzlich hat der Kongress ab Januar eine republikanische Mehrheit, so dass Obama seine Gesetzesentwürfe nur schwerlich dort durchsetzen kann. Mit der Entscheidung, alles in seiner Macht liegende zu tun, um die Beziehungen mit Kuba zu normalisieren, trumpft er noch einmal auf, die aktuellen Ereignisse werden sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen. Und da er nicht mehr wiedergewählt werden kann, hat er auch nichts zu verlieren.

Raúl Castros Situtation

Auch Raúl Castro hat großes Interesse an einer Annäherung. Einerseits natürlich aus simplen wirtschaftlichen Gründen: die Versorgung der Kubaner muss kontinuierlich verbessert werden und nur mit China und Brasilien als gewichtigen Partnern wird das schwer. Was vor allem zählt, sind billigere Einkaufspreise, sei es für Maschinen, aber auch für Lebensmittel. Interessantes Detail: zwar boomt der Tourismus in Kuba, er kostet aber auch viele Devisenabfluss – und das senkt die Profitabilität der Tourismusindustrie für Kuba deutlich.
In diesem Zusammenhang muss man auch Mariel sehen, den neuen Überseehafen nahe Havanna. Mariels Lage schreit geradezu nach einer Annäherung Kubas an die USA. Mariel liegt perfekt, um alle wichtigen Häfen der USA am Golf von Mexiko zu bedienen, nachdem Schiffe durch den Panamakanal kommen. Man hat hier sicherlich schon für eine Zeit nach dem Embargo geplant.
Für Raúl Castro ist der Deal also sicherlich wichtig, um seine Machtbasis langfristig zu festigen – auch wenn er bei einer nächsten Wahl nicht wieder antreten will.

Perspektive

Sicherlich kann ein kommender US-Präsident die gesamten Regelungen wieder rückgängig machen – bekommt Obama einen republikanischen Nachfolger, ist das gar nicht so unwahrscheinlich. Aber es ist immer schwerer – und unpopulärer – Dinge zurückzudrehen. Obama stellt die Republikaner also vor vollendete Tatsachen. Denn ich denke nicht, dass beispielsweise Coca-Cola oder die Ölindustrie so leicht wieder aus Kuba verschwinden werden.
Insofern bin ich mir sicher: wir schauen auf den Beginn einer neuen Ära. Es zwar sind noch viele Hürden zu nehmen, doch ab jetzt wird es, wenn auch langsam, weiter tauen zwischen Kuba und den USA.

Ein schönes Wochenende,
Dietmar

Champagner am Malecón in Havanna

Darauf lasst uns anstoßen!